Profifotografin Jessica Wikström ist bekannt für Porträts, die unter die Haut gehen. Ihr Erfolgsrezept: ein einfaches Studio-Set-up, eine aufgeschlossene Perspektive und die Bildqualität der GFX50S II.
Der Reiz eines Porträts liegt im Charakter der abgebildeten Person. Für ein gelungenes Bild braucht es neben technischem Können vor allem Interesse am Mitmenschen. Im Idealfall blickt die Kamera hinter die äußere Erscheinung und offenbart die unterschiedlichen Facetten einer Persönlichkeit. Jessica Wikström gelingt die Balance aus technischer Intuition und Einfühlungsvermögen. Sie schafft berührende Studioporträts, die unter die Haut gehen und zum Nachdenken anregen.
Weniger Technik, mehr Einfühlungsvermögen. So lässt sich Jessicas Ansatz beschreiben. In ihrer Fotografie ist der limitierende Faktor nicht die Ausrüstung, sondern allein ihre eigene Vorstellungskraft. Der Weg zu dieser Erkenntnis war für die Fotografin kein leichter. Immer wieder musste Jessica neue Hürden überwinden.
Der eigene Stil
„Ich fotografiere nun schon seit 17 Jahren“, erzählt Jessica. „Anfangs glaubte ich, dass ich fotografisch alles ausprobieren muss. Ich hatte keine Richtung. So habe ich von Hochzeiten über Produkte und Arbeitswelten bis zur Mode alles Mögliche fotografiert – und bin damit voll gegen die Wand gefahren. Irgendwann war die Leidenschaft weg. Ich verkaufte meine Ausrüstung und hängte meinen Job als Fotografin an den Nagel.“
Zurückgekehrt ist sie erst, als einige alte Bekannte fragten, ob Jessica sie nicht fotografieren könne. „Ich wurde gebeten, einen früheren Kollegen und seine Freunde zu fotografieren. Das war ein lustiger Haufen bärtiger Kerle und mich hat diese Aufgabe tatsächlich gereizt. Also sagte ich unter der Bedingung zu, dass ich die Bilder nach meinen Vorstellungen gestalten konnte. Zuvor hatte ich mich immer gezwungen gesehen, meinen Stil den Wünschen der Agenturen, Kunden oder Magazine anzupassen.“
Die Männerporträts stießen im Internet auf große Resonanz. „Die Bilder waren ein voller Erfolg, die Leute liebten sie. Das hat etwas in mir ausgelöst“, sagt Jessica.
Sie nahm die Fotografie wieder auf, folgte aber fortan ausschließlich ihrer Intuition und entwickelte einen eigenen Stil. Mit ausdrucksstarken Männerporträts für Kosmetikmarken gelang ihr der Neustart als erfolgreiche Fotografin.
„Ich arbeitete mit Männern, die selbst sehr stilbewusst waren. Dass jemand so auf sein Aussehen bedacht war, kannte man damals nur von Frauen. Doch diese Herren waren bei aller Eitelkeit und Pingeligkeit ausgesprochen charmant und liebenswürdig.“
Da wurde Jessica klar, dass sie echte Menschen porträtieren wollte. „Ich strebte danach, Persönlichkeiten so einzufangen, wie sie wirklich sind“, fährt sie fort. „Also richtete ich meinen Fokus darauf, authentische Bilder zu machen, statt einen vorgegebenen Stil umzusetzen.“
Die Auswahl der Porträtmodelle
Die Qualität der Porträtfotografie von Jessica ist für alle leidenschaftlichen Fotografinnen und Fotografen unabhängig von ihrer Erfahrung erreichbar. Denn für hochwertige Aufnahmen braucht es keine Supermodels.
„Alle Menschen können vor der Kamera schön aussehen. Mit der richtigen Pose und einer geeigneten Beleuchtung lässt sich praktisch jeder Charakter interessant und ausdrucksstark in Szene setzen“, ist die Profifotografin überzeugt. „Mit geht es aber nicht darum, die darzustellende Person in ein bestimmtes Ideal zu zwängen. Vielmehr will ich ihr über den Aufnahmeprozess und das Bildergebnis ein gutes Selbstgefühl vermitteln.“
Jessica ist es wichtig, dass sie mit ihrem Gegenüber auf einer Wellenlänge ist. „Mehr als das Aussehen einer Person interessiert mich die Geschichte anderer und das, was sie mir über das Leben erzählt. Vielleicht hat das etwas damit zu tun, dass auch ich älter werde.“
Wenn Jessica weiß, wen sie fotografiert, beginnt sie mit der Vorbereitung des Set-ups. Sich im Studio auf Hintergrund und Beleuchtung festzulegen, kann besonders für Einsteigerinnen und Einsteiger schwierig sein. Aber auch hier hat die erfahrene Fotografin einige Tipps und Tricks parat.
Die Kulisse und das Licht
Auf Flohmärkten und im Internet stöbert Jessica regelmäßig nach alten Stühlen und Holzkisten, auf denen die Porträtierten sitzen können, oder nach Teppichen und Stoffen, die sich als Kulisse eignen. „Mit nur 100 Euro kannst du dir ein komplettes Studio-Set zusammenstellen“, schwärmt sie. „Die gesammelten Requisiten lagere ich in meinem Studio ein, sodass ich vor dem Shooting leicht darauf zugreifen kann. Eine frühzeitige Vorbereitung ist mir wichtig, um unnötige Hektik zu vermeiden. Bevor die Person kommt, habe ich immer ein klares Bildergebnis im Kopf. Aber ich bleibe flexibel, um auf die jeweilige Situation reagieren und meine Idee weiterentwickeln zu können.“
Die Beleuchtung besteht bei Jessica normalerweise aus einem Blitzkopf mit Lichtformer. „Ich bin ein Fan von Oktabox und Reflektorschirm, mit denen du gut eine oder auch mehrere Personen ausleuchten kannst“, erläutert sie. „Auch Hilfsmittel zur indirekten Beleuchtung sind sehr nützlich. Mit ihnen erhältst du im Grunde eine zweite, schwächere Lichtquelle. Ich verwende hier nichts Spezielles, sondern hänge zum Beispiel einfach einen großen Bogen weißes Papier auf.“
Jessica ist sich bewusst, dass eine Studioblitzanlage in manchen Situationen etwas überdimensioniert wirken kann. Sie erinnert daher daran, dass es viele Möglichkeiten gibt, mit Licht zu arbeiten. Da in diesem Beitrag nicht alle Techniken ausführlich beschrieben werden können, rät die Fotografin dazu, zunächst mit den verfügbaren Lichtquellen zu experimentieren.

Photo 2022 © Jessica Wikström | FUJIFILM GFX50S II mit FUJINON GF45-100mmF4 R LM OIS WR, 1/125 s, F5.6 und ISO 500
„Anfangs hatte ich keine Ahnung, was ich da eigentlich tue, und so sahen die Fotos auch aus“, erzählt Jessica. „Viele Anfänger verlieren den Mut, wenn sie ihre misslungenen Bilder sehen. Aber woher solltest du auch wissen, wie man das Licht führt, wenn du zum ersten Mal damit arbeitest? Du musst den Umgang mit Licht erlernen, Schritt für Schritt.“
Jessica verwendet einen Studioblitz mit Einstelllicht. So kann sie zwischen den Aufnahmen sehen, wie sich das Blitzlicht auswirkt. Sie empfiehlt zudem, alle anderen Lampen im Studio auszuschalten und die Fenster abzudunkeln, damit im Bild nur das Hauptlicht zum Tragen kommt.
Die beste Kamera für die Porträtfotografie
Bei der Wahl von Kamera und Objektiv konzentriert sich Jessica ebenfalls auf das Wesentliche. Nachdem sie ihre alte Ausrüstung vor einigen Jahren verkauft hatte, fotografierte sie lange nur mit Festbrennweiten, um die bestmögliche Bildqualität zu erzielen. Seit einiger Zeit hat sich ihre Haltung jedoch geändert.
„An der Technik der Kamera war ich eigentlich noch nie interessiert. Ich verwende weder ausgefeilte Autofokus-Modi noch die Highspeed-Serienaufnahme. Mir geht es nur um die Bildqualität“, sagt Jessica.
Als sie zum ersten Mal eine Kamera des GFX-Systems in die Hand nahm, dachte sie sich nicht viel dabei. „Es fühlte sich an wie meine bisherigen Kameras. Aber dann sah ich die Dateien und dachte: Wow, das ist genau das, wonach ich gesucht habe!“, erzählt die Fotografin. „All die Jahre hatte ich versucht, meinen Bildern diesen malerischen Ausdruck einzuhauchen. Ich variierte die Beleuchtung und schraubte an der Bearbeitung. Ohne Erfolg. Jetzt war mir plötzlich klar, dass es an den Dateien lag und daran, was ich mit ihnen machen kann. So etwas hatte ich noch bei keiner anderen Kamera erlebt, also war es Liebe auf den ersten Blick.“
Im Studio fotografiert Jessica seither mit der FUJIFILM GFX50S II. Wenn sie mit Familien arbeitet, verwendet sie das FUJINON GF45-100mmF4 R LM OIS WR. Bei Jugendlichen oder Erwachsenen setzt sie das GF80mmF1.7 R WR oder das GF110mmF2 R LM WR an die Kamera. „Das Zoomobjektiv ist praktisch, um auf den Bewegungsdrang der Kinder reagieren zu können, aber meine absoluten Lieblingsobjektive sind die beiden Festbrennweiten. Sie sorgen für eine akzentuierte Schärfe bei großen Blendenöffnungen, und mit den beiden Brennweiten kann ich verschiedene Arten von Bildausschnitten erzielen.“
Ein Kamera-Feature, das Jessica besonders schätzt, sind die Filmsimulationen. „Die unterschiedlichen Looks sind für mich der Schlüssel zu höchster Kunstfertigkeit“, sagt sie voller Begeisterung. „Die Ästhetik der Bilder ist sofort präsent. Und wenn ich im RAW+JPEG-Modus fotografiere, bin ich nicht auf einen bestimmten Stil festgelegt.“
Jessica betont, dass es ihr bei Studioporträts vor allem darum geht, eine Vision zu verfolgen, die alles bisher Gesagte umfasst. Obwohl sie mit einer festen Idee beginnt, ist in ihrem Workflow immer Raum für Veränderungen. Und genau das ist ihr letzter – und vielleicht wichtigster – Hinweis, den sie uns mitgibt.
Der vielleicht wichtigste Tipp für gelungene Porträts
„Ein Porträt wird von der Darstellung der abgebildeten Person geprägt“, sagt Jessica. „Oft habe ich vom ersten Moment an ein Gespür dafür, wie ich einen Menschen zeigen werde. Dann ist auf Anhieb klar, welche visuelle Richtung funktioniert. Manchmal gibt es jedoch auch eine überraschende Wendung. Zum Beispiel hatte ich einmal eine lebhafte Person vor der Kamera, die sich wunderbar für Schwarz-Weiß-Bilder eignete. Wie ein Mensch auftritt, spiegelt also nicht immer seinen inneren Charaktermerkmale wider.“
Bei Porträts sollte man sich deshalb immer alle Optionen offenhalten, rät Jessica. „Wenn ich mich zu sehr auf eine Idee versteife, traue ich mich nicht, etwas anderes auszuprobieren. Doch genau das kann der Schlüssel zum Wesen einer Person sein. Scheu dich also nicht, während einer Porträt-Session zu spielen – und lass dein Gegenüber an dem Prozess teilhaben. Lass dich von der Persönlichkeit vor der Kamera inspirieren!“